Du bist so respektlos!
"In jenen Augenblicken, in denen ich wütend bin und das Bedürfnis nach Respekt habe, sehne ich mich in Wahrheit nach einfühlsamem Verständnis für die Angst und den Schmerz in mir."
Kelly Bryson
Respekt.
Welche Bedeutung hat das Bedürfnis nach Respekt für dich?
Wie erfüllst du dir das Bedürfnis nach Respekt?
Kennst du diesen Satz "Du bist so respektlos!", hast ihn schon mal gehört oder selbst ausgesprochen?
Wenn ich so etwas sagen würde, denke ich, dass ich mir von meinem Gegenüber einen Respektvollen Umgang wünsche gleichzeitig ist dieser Satz eine Bewertung der Worte oder der Handlung des anderen bzw. eine Verurteilung des anderen.
Worte können so oder so aufgefasst werden. Der eine findet das Verhalten respektlos, der andere findet das selbe Verhalten nicht respektlos. Warum ist das so?
Wir haben alle unsere eigene Landkarte, auf der unsere Erfahrungen, Erlebnisse, Prägungen stehen, die wir im auf Laufe unseres Lebens mitbekommen haben. Daraus können Erwartungen oder Interpretation u.ä. entstehen und auch, was uns wichtig ist z.B. welche Bedürfnisse/Werte wir in unserem Leben haben und erfüllt bekommen möchten. Mit diesen persönlichen "Filtern", unserer Brille gehen wir durchs Leben und sehen alles aus unserer persönlichen Perspektive/Wahrnehmung. Wir erleben etwas, was wiederum ein Gefühl auslöst. Entweder ein "angenehmes" Gefühl, weil ein Bedürfnis erfüllt ist oder ein "unangenehmes" Gefühl, weil ein Bedürfnis unerfüllt ist. Das bedeutet ganz einfach, dass wir alle einen inneren Kompass, eine innere Taschenlampe, eine innere Lupe in uns haben, die uns zeigt, was gerade los ist und, ob wir etwas brauchen, damit es uns gut geht.
Dir kommt also z.B. der Gedanke, dass dein Gegenüber respektlos ist oder du sagst es sogar zu deinem Gegenüber. Ich kann mir vorstellen, dass du dann erstmal wütend bist.
Wut entsteht aus unseren Gedanken und dahinter steckt IMMER ein sog. Primärgefühl. Das bedeutet du bist nicht erstmal wütend, sondern du bist als zweites wütend.
Am Anfang stand ein anderes echtes Gefühl:
Vielleicht bist du erschrocken, weil dir Respekt wichtig ist.
Vielleicht bist du traurig, weil du respektvoll behandelt werden möchtest.
Vielleicht bist du enttäuscht, weil dir Respekt wichtig ist.
Es ist menschlich, dass wir eine Situation bewerten, die wir erleben oder erzählt bekommen. Das ist vollkommen in Ordnung und normal. Es ist eine Herausforderung vor allem in Situationen in denen wir uns unwohl fühlen, in die wertfreie Beobachtung (1. Schritt in der GFK s. Artikel) zu gehen und empathisch mit uns selbst zu sein.
Denn:
Verantwortlich für unsere Gefühle, Gedanken und Erfüllung unserer Bedürfnisse sind nur wir selbst. Niemand anderes als wir selbst.
Eine spannende Frage in Situationen, in denen wir uns durch das Verhalten eines anderen unwohl fühlen, wir unangenehme Gefühle verspüren und vielleicht sogar wütend/verärgert reagieren, ist:
Was brauche ich gerade? oder
Was ist gerade bei mir unerfüllt?
In diesem Blogartikel ist es Respekt. Gedanke: "Oh ja, ich bin gerade wirklich traurig, weil mir Respekt wichtig ist. Ich möchte respektvoll behandelt werden."
Wenn du in einer Situation bist, in der du den Eindruck hast, dass sich gerade das Bedürfnis nach Respekt (oder ein anderes Bedürfnis) nicht erfüllt, was kannst du dann tun?
Zum Beispiel die Schritte der Selbstempathie durchgehen. Wenn es dir dann besser geht, einfach mal nachfragen: "Du, ich habe von dir gehört, dass ich die Klappe halten soll. Das stimmt mich traurig, weil mir respektvoller Umgang wichtig ist. Magst du mir sagen, was dich dazu bewogen hat, auf diese Art und Weise mit mir zu sprechen?" "Ja, ich wollte einfach, dass du mal nichts sagst, weil du einfach nicht aufhören kannst, obwohl ich dir schon gesagt habe, dass ich jetzt meine Ruhe haben möchte." "Oh ich höre von dir, dass du deine Ruhe haben möchtest und du möchtest da ernst genommen werden?" "Ja." "Okay, ich bedaure, dass ich es überhört habe. Kommt das öfter vor?" "Ja." "Mmmh, okay, ich merke gerade, dass ich dich wirklich ernst nehmen möchte und mir Rücksichtnahme wichtig ist. Ich denke, dass ich Unterstützung brauche, um dich wirklich zu hören. Ich habe eine Idee: Könntest du dich beim nächsten Mal bitte mir direkt zuwenden und Blickkontakt suchen, dann sagen, dass du jetzt Ruhe brauchst? Geht das? " Vielleicht kommt ihr so wieder in Kontakt oder ihr überlegt gemeinsam, wie ihr diese Situationen verändern könnt. Tipp: das klappt am ehesten, wenn du dich vorher selbst versorgt hast mit Selbstempathie oder vielleicht rufts du einen Freund, Freundin an, damit du wegen dieser Situation gehört wirst. Gefällt dir diese Idee und/oder magst sie mal ausprobieren? Schreib mir gerne deine Gedanken dazu über Kontakt. Ich freue mich über Austausch und trage gerne dazu bei, deinen individuellen Weg in solchen Situationen zu finden.
Nun mag ich noch mich dem Thema Respekt und Kindern widmen:
Ich erlebe in meiner Arbeit in Schulen und Familien immer wieder Situationen, die Erwachsene als respektlos empfinden und vom Kind erwarten, dass es sich respektvoll gegenüber anderen Kindern und Erwachsenen verhalten soll.
Dazu ein Beispiel:
Erwachsene erzählen mir, dass ein Kind zum anderen gesagt hat "Du Blödmann..." "Du Ar.....", "Du Hur....." u.ä. und schlimmeres. Erwachsene sind dann oft empört und es heißt, das geht doch gar nicht. So darf man nicht mit anderen Menschen reden. Das Kind muss doch...
Ganz ehrlich: Da muss ich erstmal durchschnaufen, denn:
Es wird aus meiner Sicht davon ausgegangen, dass wir Menschen miteinander respektvoll umgehen MÜSSEN, die Kinder das können SOLLTEN. Das bedeutet, das Kind "hat das zu lernen: "So redet man nicht mit anderen." "So sprichst du nicht mit mir!" usw.
Ja, wenn man z.B. beschimpft wird kann einen (auch Kinder) das traurig oder empört stimmen. Wir möchten ALLE respektvoll behandelt werden.
Ich möchte sagen, dass hinter jedem Verhalten eine gute Absicht steckt und es Kinder eigentlich gut machen wollen. Ich erlebe, dass diese Kinder selbst erschrecken, über das, was ihnen da über die Lippen kam UND ich erlebe Kinder als hilflos, WEIL sie dazu beitragen möchten, dass es anderen gut geht.
Ja, was sollen wir denn dann tun? Das Kind muss das doch lernen!
Ein Gespräch mit dem Kind könnte z.B. so ablaufen:
Ich habe gehört, dass du zu xy "Du Ar..." gesagt hast und ich gehe davon aus, dass du weißt, dass ich das nicht schön finde, wenn man das sagt oder sogar zu hören bekommt. Stimmt?" *nicken*, *zu Boden gucken* "Das dachte ich mir. Ich weiß, dass du dazu beitragen möchtest, dass es allen gut geht. Kann es sein, dass du in der Situation in Not warst und dir nicht anders zu helfen wusstest, als das zu sagen?"
"Ja" (da kommen häufig Tränen. Warum: weil das Kind merkt, dass es gesehen und ernst genommen wird)
"Okay. Weißt du, ich denke, dass wir einen Weg finden können, wie du anders gut für dich sorgen kannst ohne solche Worte zu sagen. Sollen wir gemeinsam schauen, was du stattdessen machen kannst?" "Ja" (Da sind die Kinder dann erleichtert, weil ihnen endlich jemand die Hand reicht. Sie selbst wussten nicht weiter und sie wollen es so gerne anders machen. Es braucht einfach eine neue Strategie/einen neuen Weg, wie sie mit Situationen anders umgehen können. Ihnen dabei zu helfen, ist aus meiner Sicht die Verantwortung von uns Erwachsenen.)
Im Grunde unseres Herzens wollen wir Menschen dazu beitragen, dass es uns allen gut geht. Wir sind nur, die einigen häufiger, die anderen seltener, immer wieder in Situationen, in denen wir in Not sind und nach dem Rettungsring suchen. Wenn dann kein Mensch da ist, der uns einen zuwirft (Empathie & Unterstützung) oder wir keine Ideen haben, wir uns "retten" können, dann kann es passieren, dass wir (verbal oder körperlich) um uns "schlagen", weil wir gerade ganz dringend ein uns wichtiges Bedürfnis nöt-ig haben.
Mein Tipp: wenn du in Bewertungen oder Verurteilungen kommst, gehe in die Selbstempathie und danach sei neugierig und interessiert, warum dein Gegenüber diesen Weg gewählt hat und was er gebraucht hätte oder
geh in die Aufrichtigkeit und sage dem anderen, was passiert ist, wie du dich gefühlt hast und was du gebraucht hättest, frag nach, wie es dem anderen damit geht und sucht, wenn möglich, gemeinsam nach einem anderen Weg für einen wohlwollenderen Umgang auf Augenhöhe.
Hier noch ein Satz/Hintergedanke, der hilft, wenn es um "unerwünschtes Verhalten" bei Kinder geht:
Statt Kinder sollen beitragen:
Kinder WOLLEN beitragen, dass es allen gut geht. Spür mal hin. Merkst du, wie sich dein Fokus durch Veränderung eines Wortes verändert?
All das, was ich beschrieben habe, was wir tun können, anstatt in "alte Muster abzudriften", braucht Übung, Übung und nochmals Übung.
"It´s simple, but not easy." Marshall B. Rosenberg
Sieh es als Training an und bleib dran. Durchbrich diese alten Muster und trage mehr und mehr Empathie und Verbindung in die Welt. Es lohnt sich.
Es grüßt dich herzlich
Silvia
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