"Mein Kind macht einfach nicht, was ich sage..."

21.06.2024

"Das Ziel der Gewaltfreien Kommunikation ist nicht, Menschen und ihr Verhalten zu ändern, um unseren Willen durchzusetzen, sondern Beziehung aufzubauen, die auf Ehrlichkeit und Empathie basieren, die schließlich die Bedürfnisse aller erfüllen."

Marshall B. Rosenberg

"...die schließlich die  Bedürfnisse aller erfüllen."

Ja, aber... höre ich häufig. Deshalb mag ich kurz nochmal etwas zu Bedürfnissen sagen:

Bedürfnisse müssen nicht sofort erfüllt werden. Sie sind unabhängig von Zeit und Ort.

Es ist wichtig, sie wahr zu nehmen. 

Sie sind noch dazu unabhängig von Personen, das bedeutet, das kein anderer außer mir selbst, für die Erfüllung meiner Bedürfnisse verantwortlich ist.

Als Eltern ist es, für mich wichtig, zu unterscheiden zwischen Macht über und Macht mit.

Macht über ist, dass ich bestimme, was das Kind zu tun und zu lassen und zwar auch dann, wenn es   nicht  um gesundheitlich oder lebensbedrohliche Dinge geht. (In solchen Fällen greift dann Macht mit oder auch führende Macht (so bezeichne ich diese Macht).. Ich entscheide jetzt dich am Arm  festzuhalten, damit du nicht über die befahrene Straße rennst, weil ich möchte, dass du lebst und gesund bist. Deshalb wende ich jetzt meine führende Macht an, in dem Bewusstsein, dass ich dich und dein Bedürfnis übergehe.)

Beispiel:

"Ich möchte, dass du dein Zimmer aufräumst!" Das Kind sagt "Nein."

Erster Frage an mich: Für wen ist es wichtig, dass das Zimmer aufgeräumt wird?

Zweite Frage an mich: Ist es lebensbedrohlich, wenn mein Kind das Zimmer nicht aufräumt?

Dritte Frage an mich: Warum ärgert/enttäuscht es mich, wenn das Zimmer unaufgeräumt ist? Was brauche ich gerade (Bedürfnisse)?  Mein Kind ist  nicht  für die Erfüllung meiner Bedürfnisse verantwortlich.

Vierte Frage an mich: Bin ich besorgt, wenn ich nicht darauf achte, mein Kind es nie lernen wird, aufzuräumen und Ordnung zu halten?

Fünfte Frage an mich: Was sind die guten Gründe meines Kindes nicht aufzuräumen?

Diese Fragen können dazu beitragen, mit sich selbst in den Kontakt zu kommen und die vielen "Man muss doch..." "Man sollte doch..." u.ä. Gedanken aufzudecken, zu erforschen, welche Meinungen in uns schlummern, die vielleicht gar nicht mehr passen...

Es ist herausfordernd, dieses Nein als ein Geschenk anzunehmen, mit mir in den Kontakt zu kommen und mein Kind besser kennenzulernen, meinem Kind seinen Freiraum für Wachstum und Entwicklung zu geben, dass es braucht, damit es seinen persönlichen Weg im Leben finden kann. 

Es ist herausfordernd, im Vertrauen zu bleiben, dass mein Kind seinen Weg findet, erwachsen wird, gestärkt, selbstsicher und sich selbstbewusst durchs Leben zu gehen wird und vor allem, das es weiß, was es braucht, wenn mal etwas nicht so läuft, es Hürden vor sich hat und eine anstrengende Phase erlebt.

Ich denke, dass es den meisten Eltern am Herzen liegt, dass es unseren Kindern jetzt und vor allem auch später, wenn sie nicht mehr im geschützten Nest der Eltern leben, gut geht bzw. sie gestärkt sind für die herausfordernden Momente und Phasen im Leben. Dass sie wissen, wie sie sich selbst helfen und gut für sich sorgen können, oder was denkst du?

Mir hilft es, immer wieder loszulassen von meinen Vorstellungen, was ich denke, was mein Kind braucht oder "was richtig ist". Mittlerweile habe ich so viel von meinen Kinder und auch von meinem Mann gelernt, welche Vielfalt es an Strategien, an Wegen es gibt, um gut für sich zu sorgen. Es ist unglaublich schön zu sehen, wie unsere Kinder lernen, was ihnen gut tut und was nicht.

Und es ist immer wieder herausfordernd, ins Vertrauen zu gehen und "meine Wahrheit" loszulassen, die geprägt ist von MEINEN Erfahrungen, von MEINER Kindheit usw.

Meine ältere Tochter wird in ein paar Wochen 18 Jahre alt.

Wenn ich sie ansehe, erlebe, wie sie innerlich gewachsen ist und wie sie stark durchs Leben geht, sich durch Herausforderungen manövriert...

Ich sehe, ja unser Weg, den wir gegangen sind und gehen, ist gut. Vertrauen, loslassen und da sein, wenn sie Unterstützung brauchen. Gleichzeitig Echt bleiben, auch gut für mich sorgen, meine Bedürfnisse wahr- und ernst nehmen. Grenzen wahren, wenn möglich auf Augenhöhe.

Dann bin ich erfüllt und dankbar. Unsere Kinder sind echt und sich selbst bewusst. 

Das ist einfach erleichtern, weil wir (teilweise noch unsicher) neue Wege gegangen sind. Jede Elterngeneration macht etwas anders, geht neue Wege. Das ist herausfordernd, weil der Weg anfangs nur ein schmaler Pfad ist.

Ich kann sagen: Ja, es hat sich gelohnt.

Ich kann sagen: ja, wir haben "Fehler" gemacht und machen sie. Gleichzeitig weiß ich dass unsere Kinder wissen, was sie tun können, um gut für sich zu sorgen. Sie werden auch durch unsere "Fehler" wachsen. 

Was ist dein Ziel? Was möchtest du erreichen? Und vor allem:

Was ist dir wichtig?

Mir war und ist es wichtig, in Verbindung zu bleiben und immer wieder ins Vertrauen zu kommen. 

Mir war und ist es wichtig, dass unsere Kinder wissen, was IHNEN gut tut, was sie mögen, was sie erfüllt und ihnen Spaß macht.

Ich finde, am besten geht das durch Vertrauen, Offenheit, ernst nehmen und Augenhöhe.

Ich darf zudem immer wieder loslassen von meinen Gedanken, die mir sagen was angeblich richtig oder falsch ist.

Ich weiß was ich brauche und mir gut tut. Meine Kinder und mein Mann wissen was ihnen  gut tut.


"Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns."

                                                     Zitat von Rumi aus Gewaltfreie Kommunikation Marshall B. Rosenberg

Ich grüße dich herzlich,

Silvia

Persönl. Anmerk. das gewünschte Benehmen gegenüber Mitmenschen, was uns Eltern auch am Herzen liegt, kommt ganz von selbst. Auch da hilft, so meine Erfahrung: Vertrauen und wie verhalte ich mich gegenüber anderen?