"Mensch, jetzt nimm doch nicht immer alles so persönlich!"

21.08.2024

"Wie ich entscheide, eine Situation zu betrachten, beeinflusst ganz wesentlich, ob ich die Macht habe, sie zu ändern oder ob ich die Dinge verschlimmere." 

Marshall B. Rosenberg

Manchmal oder  öfter "nehmen wir etwas persönlich".

Jeder von uns, oder?

Ich nehme Worte/Handlungen auch mal (mittlerweile viel seltener) persönlich. 

Was eigentlich gar nicht unbedingt persönlich gemeint war.

Wenn wir etwas persönlich nehmen,  entsteht häufig daraus ein Konflikt, obwohl das von keinem der Beteiligten gewollt war. "Mensch, jetzt nimm doch nicht immer alles so persönlich!"

Warum ist das so, dass wir etwas persönlich nehmen? 

Oder liegt der andere mit seiner Beurteilung sogar falsch?

Welches Bedürfnis ist in dem Moment unerfüllt, wenn wir doch mal etwas persönlich nehmen?

Nehmen eher Männer etwas persönlich oder Frauen?


Es gibt in der Gewaltfreien Kommunikation das 4 Ohren Modell (siehe Bild unten).

Dargestellt mit zwei Wolfs- und zwei Giraffenohren.

Wir können Angriffe hören (Wolfsohren nach außen) 

oder

uns selbst innerlich, gedanklich angreifen (Wolfsohren nach innen).


Wir können liebevoll mit uns selbst in Gedanken sprechen (Giraffenohren nach innen, uns empathisch begegnen)

oder

liebevoll mit unserem Gegenüber sprechen bzw. mit Giraffenohren nach außen hören.               Offen und empathisch die Worte aufnehmen, die wir von unserem Gegenüber hören.

"Du kannst Dich jeder Zeit entscheiden, wie Du die Worte Deines Gegenübers aufnimmst, die Macht liegt bei Dir."                                                                                Marshall B. Rosenberg


Mit welchem Ohr hörst du, wenn du etwas persönlich nimmst?

Mit welchem Ohr hörst du, wenn du denkst, dass jemand etwas persönlich nimmt?

Mit welchem Ohr hörst du in dich hinein, wenn du etwas persönlich nimmst?


Wenn wir etwas persönlich nehmen und vielleicht auch noch der Satz von oben vom anderen kommt, dann reagieren wir z.B. mit:

Angriff ist die beste Verteidigung, weil wir gerade Schutz benötigen 

oder

Rückzug in uns selbst, weil wir uns schützen wollen (Schutz) oder Empathie brauchen

oder

Rechtfertigung, weil wir gesehen werden wollen und vielleicht Akzeptanz brauchen

oder

Traurigkeit, weil wir Empathie oder/und Verbindung brauchen, uns Harmonie wünschen

oder 

Frustration, weil wir uns Veränderung wünschen

oder 

Unsicherheit, weil wir gerade Sicherheit oder/und Zugehörigkeit brauchen

oder

...

      mit was reagierst du?


So viele für uns Menschen wichtige Bedürfnisse können unerfüllt sein, wenn wir etwas persönlich nehmen.

Schutz

Empathie

Gesehen werden

Akzeptanz

Empathie

Verbindung

Harmonie

Veränderung

Sicherheit

Zugehörigkeit

Ich spüre jetzt beim Schreiben der Bedürfnisse, wie berührt ich bin, von diesen Bedürfnissen, die wir als Menschen in so einem Moment brauchen. Ja, es schmerzt, wenn wir Menschen etwas persönlich nehmen. Wenn dann noch der Satz von oben dazu kommt, schmerzt es noch mehr.

Irgendwie eine logische Konsequenz, dass daraus schnell ein Konflikt entstehen kann, oder?

Warum nehmen wir etwas persönlich? Aus welchem Grund nehmen wir Worte an, so dass sie uns schmerzen?

Ich denke, dass das auch einiges mit unserer Kindheit zu tun hat.

Wenn wir etwas persönlich nehmen, drückt jemand gerade einen riesigen Buzzer, einen schmerzenden Punkt aus unserer Kindheit, ein blauer Fleck, der aus der Kindheit  (noch) da ist.                 Wir kennen das alle: Wenn man auf einen blauen Fleck bei sich drückt, dann tut er (wieder) weh.

Je fester der Druck, desto schmerzhafter ist dieser blaue Fleck (wieder).


Wie können wir in so einem Moment gut für uns sorgen?

Was wir immer dabei haben ist: Atmen. Kurz warten. Durschnaufen.

Wir können mit engen und lieben Menschen, denen wir vertrauen, darüber sprechen, dass der andere gerade eine Wunde getroffen hat oder so einen blauen Fleck.

Sich selbst stärken (Selbstwert, Selbstvertrauen, Selbstliebe).

Sich selbst zuhören, welche Sätze ich gedanklich zu mir sage, wenn ich etwas persönlich nehme.

Diese innere Wolfsshow zu zuhören, in der wir uns selbst nicht freundlich begegnen, kann sehr hilfreich sein, um in Kontakt mit uns zu kommen. Dann können wir uns Selbstempathie geben. 

Ich finde es auch spannend nachzufragen, wenn jemand etwas persönlich genommen hat, was er denn von mir gehört hat. Also was derjenige in seinen eigenen Worten formuliert gehört hat. Derjenige kann seine Gedanken/Gefühle in Worte fassen und mir mitteilen, was bzw. wie meine Worte bei ihm angekommen ist.

Zum Beispiel:

"Ich habe gerade gesehen, dass dein Teller vom Mittagessen oben auf der Spülmaschine steht."** (normaler Ton, ohne Ärger, einfach ein Fakt)

In welchem Ohr kommen diese Worte, wie an:

Wolfsohren nach außen: "Immer musst du rumnörgeln. Ich kann es dir einfach nicht Recht machen !"

Wolfsohren nach innen: (bei dem der den Satz** gehört hat:) "Jetzt habe ich das schon wieder vergessen! Ich bin aber auch wirklich zu dumm (, ich Depp) !"

Kommt dir etwas davon bekannt vor ?

Wir benutzen gerne und oft "automatisch" diese Wolfssprache

In meinen Kursen übe ich an Beispielen dieses 4 Ohren Modell. Es ist eigentlich immer so, dass die Wolfssprache den Teilnehmern schnell ins Gedächtnis kommt.

Ja, diese Sprache kennen wir alle sehr gut.

Das traurige dabei ist, dass, egal ob nach innen oder nach außen, wir keine Verbindung zu uns selbst oder zu unserem Gegenüber bekommen. Im Gegenteil: diese Sprache trennt uns.

Das finde ich tragisch, weil wir Menschen Schutz, Empathie, Gesehen werden, Akzeptanz, Empathie, Verbindung, Sicherheit und Zugehörigkeit brauchen.


Stell dir nun mal vor, du nutzt die Giraffenohren, lernst mit diesen Ohren zu hören und zu sprechen:

Giraffenohren nach innen: "Wenn ich höre, dass * , dann spüre ich einen Druck auf der Brust. Ja , es bedrückt mich, weil ich es auch ordentlich haben möchte und ich mir auch wünsche, dass jeder seine Sachen wegräumt. Ich spüre, dass ich es bedaure, das ich vergessen habe den Teller in die Spülmaschine zu räumen. Ja, das ist wirklich schade. Ich überlege, wie ich leichter daran denken kann, meine Sachen wegzuräumen."

oder

"Ich habe ** gehört und bin bedrückt, weil ich gerne akzeptiert werden möchte, wie ich bin und ich mir Menschlichkeit wünsche.  Ja, genau. Das ist mir wichtig. "

"...Jetzt merke ich, dass ich neugierig werde, was die Gründe waren, weshalb er/sie mir das mit dem Teller gesagt hat... Ich frag mal nach."

Giraffenohren nach außen: "Ah, stimmt der Teller steht noch da. Ich war vorhin in Gedanken. Ich räume ihn nachher weg, wenn ich in die Küche gehe. Hast du dich geärgert, als du den Teller gesehen hast oder wolltest du mich einfach erinnern?" 

"Ich wollte dich einfach erinnern." "Okay, danke."

oder 

"Ja, ich habe mich tatsächlich geärgert, weil ich mir gerade etwas zu essen machen wollte und der Teller im Weg stand."

"Ah, okay, du wolltest die Arbeitsfläche einfach nutzen und magst, dass der Bereich aufgeräumt ist."

"Ja."

"Das kann ich total nachvollziehen. Ich spüre gerade ein Bedauern, weil mir eine freie Arbeitsfläche, die man jederzeit nutzen kann, auch wichtig ist. Wie geht´s dir jetzt?"

"Besser. Ich spüre dein Bedauern und erlebe Verständnis. Danke dir."


Wie klingt dieser Wortwechsel in deinen Ohren?

Merkwürdig, oder?

Ja, das kann ich nachvollziehen. Als ich mit der Gewaltfreien Kommunikation angefangen habe, war das wie eine neue Sprache lernen. Wenn jemand einen andere Sprache spricht, klingt das erstmal komisch. Sobald wir die Sprache selber lernen oder öfter hören, wird sie leichter und angenehmer in unseren Ohren. Es kann sogar passieren, dass die "alte Sprache" dann in unseren Ohren komisch klingt. So wie wenn wir seit Jahren ausgewandert sind,  nach Deutschland zu Besuch kommen und da erst wieder Deutsch hören. Dann klingt plötzlich das komisch.

Mit der Gewaltfreien Kommunikation ist das z.T. ähnlich.

Idee: Lies den Dialog nochmal ganz in Ruhe durch und spüre hin. Wie fühlen sich die Worte für dich an?

Du kannst auch die Wolfsohren nach außen nochmal lesen und den Unterschied wahrnehmen.


Ich habe gelernt, dass, wenn ich etwas persönlich nehme, mein Gegenüber  nicht  daran Schuld ist, sondern es mit mir selbst zu tun hat. Etwas ist gerade unerfüllt und ich bin verantwortlich dafür gut für mich zu sorgen. Ich kann für mich sorgen. Die Erkenntnis, dass niemand für meine Gefühle verantwortlich ist, erfüllt mir Freiheit und Gelassenheit. Vor allem weil ich weiß, dass ich selbst was für mich tun kann. Ich bin unabhängig vom Außen. 

In der Gewaltfreien Kommunikation gibt es kein Schulddenken und kein richtig oder falsch.

"Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Da treffen wir uns." (Rumi)


Nein, ich bin nicht perfekt, tappe immer wieder in alte Muster und bin immer wieder auch in der Wolfssprache nach innen und nach außen unterwegs. Das liegt mir ;-). Ich bin so aufgewachsen.

Zudem höre ich, hören und lesen wir, diese trennende Sprache tagtäglich. 

Lerne mal finnisch, wenn um dich herum hauptsächlich deutsch gesprochen wird. Das benötigt Ausdauer, dran bleiben und immer wieder sich damit auseinandersetzen. Hilfreich ist es, sich mit Menschen zu umgeben, die auch die Giraffensprache sprechen oder sich darin üben, denen du vertraust und bei denen du als Lernender gesehen und akzeptiert wirst. Du sein darfst.


Ich kann nur sagen: es lohnt sich die Gewaltfreie Kommunikation zu erlernen und vor allem auch die Haltung dahinter zu trainieren, zu spüren und zu erleben.

Schau doch gleich mal bei dir in der Nähe, ob es eine Übungsgruppe gibt oder ein Einführungsseminar usw. Vielleicht gibt es ein Online-Angebot?

Marshall B. Rosenberg findest du z.B. auch auf Spotify mit verschiedenen Hörbüchern. Es gibt GFK-Trainer, die Podcasts machen und es gibt gute Bücher zum Thema Gewaltfreie Kommunikation z.B. von Ingrid Holler, Selena Rust, Frank Gaschler...


Was ist dein Weg eine neue Sprache zu lernen und eine neue Haltung anzunehmen?


Möchtest du Unterstützung bekommen, Bücher, Podcasts oder Hörbücher zu finden?

Dann schreib mir gerne deine Frage an: gfkfeeling@web.de und ich schicke dir Empfehlungen.


Es grüßt dich herzlich

Silvia


(kreiert mit KI - Canva)
(kreiert mit KI - Canva)