Selbstlosigkeit - gibt es das?

"Jeder Mensch erfüllt sich zu jeder Zeit Bedürfnisse."

Marshall B. Rosenberg

In der Gewaltfreien oder Wertschätzenden Kommunikation gehen wir davon aus, dass wir uns immer Bedürfnisse erfüllen. Es gibt keine Selbstlosigkeit. Daraus ergibt sich für mich auch, dass es Schuld und Scham nicht geben kann, weil jeder für sein Handeln selbst verantwortlich ist und aus dem eigenen persönlich guten Grund handelt.

"Der ist aber selbstlos."

"Du bist ganz schön selbstlos."

In der Gewaltfreien Kommunikation gibt es das nicht. Wenn ich zum Beispiel von einer Kollegin den Dienst übernehme, weil sie krank ist, ich vielleicht auch nicht wirklich die Lust habe und trotzdem einspringe, dann bin ich nicht selbstlos. 

Was erfülle ich mir?

Ich erfülle mir das Bedürfnis nach Beitragen wollen, in dem ich das Team unterstütze und jemand anderes den Dienst nicht machen muss, der schon genug Stunden auf dem Konto hat.

Ich erfülle mir vielleicht auch  Entlastung, weil ich dadurch Überstunden aufbaue und somit irgendwann anders frei nehmen kann.

Ich erfülle mir Balance, indem ich dieses Mal einspringe und weiß, dass jemand anderes für mich eingesprungen ist, als ich krank war.

Beispiel Spülmaschine:

Ich wünsche mir, dass jemand anderes heute die Spülmaschine ausräumt, weil mir Miteinander und Unterstützung wichtig ist. Nun bekomme ich mit, dass die anderen der Familie einen anstrengenden Tag hinter sich haben. Müde und erschöpft sind, gerade Erholung und Ruhe brauchen.

Ich entscheide mich dafür, selbst die Spülmaschine auszuräumen, weil mir....

Ja, warum eigentlich?

... weil mir Rücksichtnahme und Fürsorge wichtig ist. Diese Bedürfnisse erfülle ich mir in diesem Beispiel.

Beispiel "Der hilft immer, wenn man ihn fragt."

Es gibt Menschen die sind sehr hilfsbereit und stehen einem mit Rat und Tat zur Seite, wenn man sie braucht. Manchmal übergehen wir uns selbst und machen zu viel, unterstützen zu viel, sodass wir dann merken, dass wir selbst kaum noch Zeit für unsere Dinge oder für Selbstfürsorge haben. 

Gleichzeitig erfüllt man sich dadurch auch etwas. Was denkst du erfüllt sich jemand, der (fast) immer jemanden hilft, immer da ist und man ihn nur fragen muss : "Du, kannst du mir bitte mal helfen bei... " und derjenige sagt "Ja.". 

Was denkst du erfüllt sich dieser Mensch?

Nimm gerne die Bedürfnisliste zur Hand.

Folgender Satz kann hilfreich sein, wenn du gerade nicht weißt, warum du das und das tust, obwohl du keine Zeit hast oder eigentlich etwas anderes machen wolltest. Dich vielleicht sogar ärgerst oder frustriert bist, weil du etwas machst, was andere machen "sollten":

Ich entscheide mich xy (Handlung) zu tun, weil  mir ... (Bedürfnis) wichtig ist.

Somit übernimmst du gleich Verantwortung für dein Handeln und Verständnis sowie Bewusstheit für dich selbst. 

Du hast immer deine persönlich guten Gründe, warum du etwas tust und warum nicht.

Natürlich gibt es Entscheidungen, bei denen man merkt, dass da jetzt etwas - vielleicht auch einem wirklich wichtiges - hinten runterfällt.

Dafür gibt es in der Gewaltfreien Kommunikation das

Bedauern.  

Zum Thema Bedauern schreibe ich demnächst einen Blogbeitrag...

Manchmal kommen Gedanken, wie "dass das ganz schön egoistisch ist, was der andere macht" - also das Gegenteil von selbstlos sein -. Auch da gilt: Derjenige sorgt gerade für sich und hat gerade nur diese Option zur Verfügung. Das kann bedauerlich sein, weil auch bei diesem Menschen etwas hinten runterfällt, weil jeder Mensch zum Wohle aller beitragen will. Im Moment kann derjenige (noch) nicht anders. Vielleicht braucht er einen Menschen, der ihn dabei untertsützt und Wege aufzeigt, wie es anders gehen kann, sodass es zum Wohle aller ist. 

Um sich ein Bedürfnis zu erfüllen gibt es viele verschiedene Wege/Strategien, die wir rausfinden dürfen. 

Das Bedürfnis ist in Ordnung. Wie bzw. auf welche Art und Weise man sich das erfüllt, daran kann man feilen.

Ich schicke dir herzliche Grüße

Silvia