Was hat Ärger mit unseren Gedanken zu tun?

06.08.2023

"Was andere tun, mag der Auslöser unserer Gefühle sein, aber niemals die Ursache." 

Marshall B. Rosenberg 


"Das Verhalten von xy ärgert mich so sehr. xy ist so rücksichtslos. Ich kann das einfach nicht verstehen!"

"Sag mal geht´s noch? Kannst du mal besser aufpassen!!"

"Jetzt habe ich das schon wieder falsch gemacht. Ich könnt mich so ärgern. Grrr..."

"Wieso ruft er/sie nicht an. Wie hatten ausgemacht, dass er/sie sich heute Nachmittag meldet! Das ärgert mich."

u.ä.

All diese Gedanken und Aussagen haben eine Sache gemeinsam:

Derjenige ärgert sich.

Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit:

Wodurch entsteht der Ärger? Was passiert kurz davor?

Wir interpretieren: Wir treffen eine Entscheidung, welcher Grund hinter dem Verhalten des anderen steckt.

"Menschen machen uns nicht wütend. Wie wir denken, macht uns wütend." 

Marshall B. Rosenberg

Zu meinem ersten Beispiel: 

"Das Verhalten von xy ärgert mich so sehr. xy ist so rücksichtslos. Ich kann das einfach nicht verstehen!" 

Meine Gedanken: Ich gehe davon aus, dass den anderen meine Belange nicht interessieren und denke über xy, dass er rücksichtslos ist. Gleichzeitig zeigt sich in der Aussage meine unerfüllten Bedürfnisse: Zum einen Rücksichtnahme und zum anderen: Ich möchte gerne verstehen, warum xy so gehandelt hat, also geht es mir auch um Verständnis.                                                                                                          ("Ich kann das einfach nicht verstehen." - noch nicht verstehen-)

Da wäre schon eine Möglichkeit, um mit dem anderen in Verbindung zu gehen:

"Xy, du hast gerade das und das gemacht. Ich würde gerne verstehen, warum du so gehandelt hats. Magst dus mir erklären?" - schwupp, eine Verbindung ist da.

Ja, ich gebe dir recht: wenn ich mich ärgere, kann ich meistens mit anderen nicht so reden. 

Da fallen einem anderen Gedanken ein, was man gerne sagen würde. Manchmal kann der Ärger sehr stark sein. Dann ist es nicht unbedingt sinnvoll, damit zu meinem Gegenüber zu gehen. Die wenigsten können damit umgehen, wenn jemand ärgerlich auf sie zukommt und seinen ganzen Ärger rauslässt. Meistens gibt es dann ein hin und her zwischen recht und unrecht haben, Verantwortung abgeben, wer ist Schuld usw.

Deshalb:

Als erstes dürfen wir in die Selbstklärung bzw. Selbstempathie gehen:

Was ist bei mir los? Was habe ich gedacht, damit ich so in den Ärger gekommen bin? Was steckt hinter dem Ärger? Welches Gefühl? Welches Bedürfnis?

Das braucht etwas Übung. 

Hilfreich dabei sind die 4 Schritte der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg:

1. Schritt: Beobachtung, was ist passiert (Daten, Fakten, Beschreibung ohne zu bewerten..., wie eine Kamera (s. auch meinen anderen Blogartikel zur Beobachtung)

Dieser Schritt hilft oft schon, um ruhiger zu werden.

2. Schritt: Gefühl, wie fühle ich mich gerade. Ja, da ist zum einen der Ärger, der dann auch da sein darf - bei mir - mit mir oder ich rede mit einer unabhängigen Person, ohne Sympathie zu wollen, sondern um gehört zu werden. Ärger ist ein Sekundärgefühl, das bedeutet, dahinter steckt das Primärgefühl, wie z.B,. ich bin erschrocken, ich bin traurig, ich bin unzufrieden, ich bin irritiert.

3. Schritt: Bedürfnisse, welches Bedürfnis ist unerfüllt: z.B. Rücksichtnahme, Verständnis.

Das ist dann oft der Zeitpunkt, an dem meine KlientInnen aufatmen und spüren, was ihnen wichtig ist. Was sie gerade brauchen. Bedürfnisse sind der Schlüssel. Wir kommen in Verbindung mit uns.

4. Schritt: Ich atme und nehme an, was gerade ist. Ich spüre die Verbindung zu mir und atme.

Probier das mal aus, wenn du dich das nächstes Mal ärgerst.

Der Ärger ist noch nicht weg? Na dann, war der Ärger noch nicht ganz da. Er wurde noch nicht komplett gesehen. Dann darfst du gerne nochmal hinschauen.

Erst, wenn der Ärger ganz verflogen ist, können wir mit dem echten Gefühl, also dem Primärgefühl nach außen gehen, weil wir dann nicht mehr in der Bewertung, Verurteilung oder Interpretation feststecken.

Stell dir mal vor, jemand kommt zu dir und sagt folgendes:

"Du hast vorhin das und das gemacht. Ich bin irritiert und möchte gerne verstehen, warum du so gehandelt hast. Magst du mir erzählen, was der Grund für dein Handeln war?"

Dann erzählt dein Gegenüber und vielleicht entsteht bei dir Verständnis und du kannst nochmal von dir erzählen, wie wichtig dir Rücksichtnahme ist. Mit der anschließenden Frage, wie es dem anderen damit geht.

So ein Gespräch kann sehr spannend und auch überraschend sein, weil immer wieder Perspektiven und Handlungswege erkennbar werden, die man in seinem Ärger und somit in seinen Gedanken nicht mal in Erwägung gezogen hat. Denn eins dürfen wir - zumindest aus Sicht der Gewaltfreien Kommunikation - uns immer wieder in Erinnerung rufen:

Jeder Mensch macht in jedem Augenblick das Beste, was er gerade zu Verfügung hat.

Was übrigens nicht bedeutet, dass wir mit allem einverstanden sein müssen.

Nur weil ich die Handlung des anderen verstehe oder nachvollziehen kann, bedeutet das nicht, dass ich damit einverstanden sein muss. 

"Ich kann deine Handlung verstehen und gleichzeitig bin ich nicht damit einverstanden."


Ich mag noch ein Beispiel von oben genauer betrachten:

"Jetzt habe ich das schon wieder falsch gemacht. Ich könnt mich so ärgern. Grrrr..." 

Dabei richtet sich der Ärger noch innen. Der Innere Kritiker - Inner Chooser - genannt.

Ich habe zum wiederholten Male etwas "falsch" gemacht, was mich dann ärgert und vielleicht bin ich auch frustriert, weil ich es endlich hinbekommen möchte (Bedürfnis nach z.B. Weiterentwicklung).

Solche Situationen und ähnliche, bei denen der Ärger nach innen geht, können sehr herausfordernd für den ein oder anderen von uns sein.

Was machst das mit uns, wenn wir so denken?

Das, was wir von anderen hören und wie es bei uns ankommt, gilt auch für die Gedanken und Worte, die wir zu uns selbst sagen. Es tut unserer Psyche nicht gut und ist wenig hilfreich. Ich ärgere mich über mich, somit bin ich in meiner Gedankenspirale. Es gab eine Situation, ich habe sie (negativ) bewertet und ärger mich über mich, dass "ich so dumm bin.", "zu blöd bin." o.ä. Gedanken. Ist das hilfreich?

Ich denke nicht. Wenn wir liebevoll und bewusst mit uns umgehen, hin spüren (und auch mal den Ärger da sein lassen), empathisch auf uns selbst eingehen, spüren wir, was gerade unerfüllt gewesen ist.

Vielleicht war es der Wunsch nach Weiterentwicklung, vielleicht ging es um Zeit sinnvoll nutzen oder um Leichtigkeit...

Um welches Bedürfnis geht es bei dir, wenn du dich über dich selbst ärgerst?


"Verwende Wut als Weckruf für unerfüllte Bedürfnisse."

Marshall B. Rosenberg

Wenn wir Menschen uns bewusst werden, dass Ärger aus unseren Gedanken entsteht, können wir als erstes anfangen, mit uns in Verbindung zu gehen und schauen, was gerade in mir los ist. Häufig verfliegt der Ärger (wenn er nicht gerade über längere Zeit aufgestaut wurde) relativ rasch, wenn wir Kontakt mit dem Primärgefühl und unserem unerfüllten Bedürfnis bekommen. Es ist ganz gleich, ob der Ärger sich gegen jemand anderes oder gegen mich richtet.


Die Welt wäre  - aus meiner Sicht - um einiges friedlicher, wenn wir Menschen anfangen, die Verantwortung für unseren Ärger und unsere Wut zu übernehmen.


Es gibt im Empathischen Coaching (Coaching auf Grundlage der GFK) einen Coaching-Prozess, der Menschen durch diesen Ärger oder auch durch die Wut hin zum unerfüllten Bedürfnis und zum Primärgefühl führt. 

Magst du ein Ärger-Thema genauer anschauen, Entlastung erleben und in Verbindung zu dir kommen?

Dann schreib mir eine Anfrage an: info@empathisches-coaching.bayern.

Ich freue mich auf unsere Begegnung.


Es grüßt dich herzlich

Silvia


Marshall B. Rosenberg:

"Zeit nehmen - bevor du reagierst. Das ist so wichtig. Nicht sofort den ersten Schritt in der Kommunikation gehen - sondern bewusst in sich zurückziehen und wahrnehmen was gerade in dir los ist. Lass dir Zeit! Spüre in dich hinein. Nehme deine Gefühle wahr. Spüre in deine Wolfsshow (Ärger da sein lassen, so lange es dauert)  - mit all seinen Bewertungen, Belehrungen und Abwertungen. Und dann schenke dir Selbsteinfühlung. Nimm das, was ist, an. So wie es gerade ist. Die Wolfsshow gehört ebenso zu uns, wie die Giraffenshow (Gewaltfreie Kommunikation)."