„Du bist ein rücksichtsloser Mensch.“

01.02.2024

Gewaltfreie Kommunikation ist eine Prozesssprache, d.h. wir machen uns bewusst, dass wir uns in einem ständigen Veränderungsprozess befinden. Das wiederum heißt, alle Bewertungen von uns selbst und anderen sind immer nur Bewertungen in einem Prozess.

Marshall B. Rosenberg

In der Gewaltfreien Kommunikation kommen wir von Bewertungen, Ver- und Beurteilungen weg, hin zu reiner Beoboachtung: Was ist passiert, ZDF (Zahlen, Daten, Fakten). Das bedeutet, was hat man gehört oder gesehen, was wirklich Tatsachen entspricht. Wenn ich z.B. sage, der Mensch hat die Stirn in Falten gelegt und die Arme verschränkt, dann ist das etwas, das jeder sehen kann, der aus dem selben Blickwinkel schaut wie ich. Also Tatsachen. Außerdem geht es in der GFK darum, dass jeder sein Bestes gibt, sich jeder zu jeder Zeit Bedürfnisse erfüllt und das gleichzeitig nicht auf Kosten anderer machen möchte.. Von außen betrachtet ist das in manchen Situationen schwer vorstellbar und trotzdem möchte dieser Mensch zum Wohle aller beitragen.

Das tragische ist: derjenige weiß nicht, wie das geht und denkt vielleicht nicht mal darüber nach, weil er es nicht gelernt hat. Dieser Mensch wird dann verurteilt, weil „man sich so nicht verhalten darf.“

Wir sind entsetzt, empört und häufig ist das Verhalten einfach nicht nachvollziehbar.

Dieser Mensch ist „falsch“. 

„Du bist ein rücksichtsloser Mensch.“


Diese Sprache wird auch statische Sprache genannt. Dazu  ein Auszug aus dem Buch „Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation“ Marshall B. Rosenberg - ein Gespräch mit Gabriele Seils

„Statische Sprache:

Richtig, falsch, gut, schlecht, normal, unnormal, kompetent, inkompetent.' Das sind Worte aus der statischen Sprache.

Der Psychologe O.J. Harvey hat über den Zusammenhang von Sprache und Gewalt geforscht.

Er ist um die ganze Welt gereist und hat die Sprache verschiedener Kulturen untersucht, wie häufig statische Sprache, also Worte, die festschreiben und beurteilen, in der Literatur dieser Kulturen vorkommt. Und dann hat er die Gewaltrate, Selbstmord, häusliche Gewalt, Gewalt gegen Kinder und 

Frauen in dieser Kultur verglichen.

Die Korrelation zwischen statischer Sprache und Gewalt ist sehr hoch.

Durch statische Sprache macht man aus Menschen leblose Dinge und wenn man Menschen zu so einem Denken erzieht, dazu dass es richtig und falsch, normal und unnormal gibt, dann ist diesem Denken inhärent, dass es ganz oben eine Autorität gibt, die weiß, was richtig und falsch ist."


Gewaltfreie oder Wertschätzende Kommunikation genannt nutzt diese Wörter nicht. 

„Jeder Mensch erfüllt sich zu jeder Zeit Bedürfnisse..“

…und möchte zum Wohle aller beitragen. Wir kommen als soziale und empathische Wesen auf die Welt. Wir schauen uns um, erkunden unsere Umwelt und schenken der Welt irgendwann unser erstes Lächeln, um

Verbindung aufzubauen. 

Wir wollen als Kinder, dass es unseren Eltern gut geht und bemühen uns zu kooperieren, weil wir Liebe, Nähe und Kontakt brauchen.


Was kann ein Mensch für gute Gründe haben, wenn er sich so verhält, dass es auf andere rücksichtslos wirkt? Was braucht dieser Mensch gerade? Warum handelt er so?

„Magst du mir sagen, warum du dich vorhin  so verhalten hast? Das interessiert mich und ich würde dich gerne verstehen.“

Was braucht der Mensch, der zu einem Menschen sagt, dass er rücksichtslos sei?

Selbstempathie zu mir selbst : „Was brauche ich gerade? Ich bin empört, weil ich Rücksichtnahme brauche und vielleicht auch Unterstützung.“ (oder welche Bedürfnisse kommen da bei dir? Nimm gerne die Bedürfnisliste  zur Hand.)

Stell dir mal diese Frage und stell Menschen diese Fragen, denen du als ersten Impuls mit „statischer Sprache“ begegnen wolltest…

Probiers mal aus. Du wirst überrascht sein, welche Antworten  kommen. Wenn du diese Frage aus wirklichem Interesse stellst, dein Gegenüber dieses Interesse wahrnimmt, dann ensteht Verbindung.


Herzliche Grüße

Silvia